Statement der DAT zum „Diesel-Urteil“

Bei der DAT sind im Rahmen der Diesel-Diskussion in den letzten Monaten viele Anfragen bezüglich der Entwicklung von Fahrzeugwerten und der Situation auf dem Markt eingegangen. Hier finden Sie unser Statement zur Lage nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig hinsichtlich drohender Fahrverbote.

Jens Nietzschmann, Geschäftsführer Deutsche Automobil Treuhand GmbH (DAT) und Sprecher der Geschäftsleitung

Das „Diesel-Urteil“ kennt derzeit nur Verlierer. Eine Ausnahme könnten Gebrauchtwagenhändler im Ausland bilden, für die Deutschland als Zukaufmarkt jetzt weiter an Attraktivität gewinnt. Dass auch wir alle zu den Gewinnern zählen, wenn sich die Luftqualität in den Städten verbessert, ist eine Binsenweisheit. Erlaubt sein muss allerdings die Frage, ob mögliche Fahrverbote oder andere Ad-hoc-Maßnahmen tatsächlich einen größeren Einfluss auf die Reduzierung der Stickoxid-Werte haben, als die ohnehin regelmäßig stattfindende Erneuerung des Fahrzeugbestandes. Auch der als Konsequenz aus den Veränderungen der Rahmenbedingungen in Deutschland zu erwartende Transfer von Dieselfahrzeugen unterhalb der Abgasnorm Euro 6 ins benachbarte Ausland wirft berechtigte Fragen auf. Schließlich kennen Umweltbelastungen keine Landesgrenzen.

Völlig daneben finde ich allerdings die nun wieder öffentlich angelaufene Panikmache über die Entwicklung des Gebrauchtfahrzeugmarktes. Selbstverständlich wird der Markt auf das Urteil reagieren und auch bestimmt nicht zum Vergnügen der Fahrzeughalter oder Händler. Es ist aber wichtig zu wissen, dass sämtliche Schlagzeilen mit dramatischen Prozentangaben zu nun drohenden Wertverlusten zum jetzigen Zeitpunkt ausschließlich auf Spekulationen und nicht auf seriösen Untersuchungen basieren können. Um die tatsächlichen Auswirkungen zu beziffern, sind valide Marktdaten erforderlich, die auf Basis tatsächlich durchgeführter Handelsgeschäften ermittelt werden müssen. Ein kurzer Blick auf die Entwicklung der Angebote im Internet reicht dafür nicht aus. Belastbare Erkenntnisse der Marktentwicklung werden frühestens in ein bis zwei Monaten vorliegen.

Klar ist aber auch, dass die schon leidgeplagten Händler wieder die Ersten sein werden, welche die negativen Auswirkungen durch ausbleibende Nachfrage, steigenden Preisdruck und häufig auch durch automatisch zufließende Leasingrückläufer zu spüren bekommen. Anders als die Fahrzeughalter können die Händler nämlich nicht durch Abwarten auf eine vielleicht milde Auslegung der Fahrverbotsoptionen durch die Städte und Gemeinden hoffen. Je nachdem in welchem Umfang die Gebrauchtfahrzeugpreise in Folge des Urteils nun zusätzlich unter Druck geraten, wird ein Ausbau der Unterstützungsmaßnahmen der Hersteller und Importeure für ihre Handelsorganisationen notwendig werden, damit diese nicht in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Da den Händlern ohne Fabrikatsbindung ein solcher Hintergrund fehlt, bleibt diesen wohl nichts anderes übrig, als weitere Wertberichtigungen bei ihren Diesel-Beständen vorzunehmen.

Im Rahmen der aktuellen Diskussion wurden vermehrt folgende Fragen an uns herangetragen, die wir folgendermaßen beantworten:

1) Wie beurteilt die DAT die Situation beim Handel? Der Handel hat nach wie vor Schwierigkeiten, seine gebrauchten Diesel-Fahrzeuge zu vermarkten. Dies gilt insbesondere in den möglicherweise durch Fahrverbote betroffenen Ballungsgebieten. Die Standtage von Diesel-Pkw liegen bundesweit aktuell bei durchschnittlich 102 Tagen. Jedes dieser Fahrzeuge kostet die Händler etwa 28 Euro pro Tag. Das bedeutet, dass schon aufgrund der Standtage an Diesel-Gebrauchtwagen derzeit kein Geld verdient werden kann oder gar Verluste geschrieben werden. (Hinweis: Die vorläufige Durchschnittsrendite im gesamten Kfz-Gewerbe lag nach Informationen des ZDK [Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe] 2017 zwischen 1,3 bis 1,6 Prozent.)

Die gebrauchten Dieselfahrzeuge in Deutschland werden allerdings für Händler aus umliegenden Ländern aufgrund der derzeit niedrigen Angebotspreise noch interessanter. Exakte Zahlen darüber, wie viele Diesel-Pkw aus Deutschland in andere Länder verbracht werden, sind allerdings kaum seriös feststellbar, da das KBA dazu keine speziellen Daten erhebt. Neben den ausbleibenden Erlösen oder gar Verlusten aus der Diesel-Verkäufen haben die Händler zunehmend Probleme, die Motivation ihrer Mitarbeiter aufrecht zu halten, weil diese neben ihrem Tagesgeschäft regelmäßig ausführliche Diskussionen mit ihren Kunden und Interessenten über die Zukunft des Dieselantriebs führen müssen, ohne dass diese Leistung in irgend einer Form adäquat vergütet werden.

2) Wie sieht die DAT die Entwicklung der Werte von gebrauchten Dieselfahrzeugen? Nahezu alle Automobile verlieren über die Zeit an Wert – egal ob Diesel oder Benziner. Messbar wird ein Ereignis wie das Urteil in Leipzig erst mit ein bis zwei Monaten Verzögerung, da der Gebrauchtwagenmarkt – das haben wir bei VW Ende 2015 beobachten können – nicht sofort nach oben oder unten ausschlägt. Hinzu kommt: Die durchschnittliche Pkw-Haltedauer liegt in Deutschland zwischen 6 und 7 Jahren. Verschleiß, Laufleistung, Zustand und zahlreiche weitere wertbeeinflussende Faktoren spielen zusätzlich eine große Rolle. Der Wert eines Fahrzeuges wird stets, und zwar ohne Ausnahme, immer dann ermittelt, wenn ein Handelsgeschäft tatsächlich zustande kommt. Ein Anbieter stellt sich einen Erlös vor, und nach Diskussion mit einem Interessenten ergibt sich ein von beiden Seiten akzeptierter Preis. Dieser Eurobetrag allein und multipliziert mit Zehntausenden von Geschäften mit vergleichbaren Fahrzeugen kann für sich in Anspruch nehmen, als „Marktwert“ bezeichnet zu werden. Eine erste Orientierung gibt der kostenlose und monatlich aktualisierte Autopreisrechner auf dat.de. Eine professionelle Fahrzeugbewertung führen alle DAT-Sachverständigen in Deutschland durch. Generell kann festgestellt werden, dass der Wert von dreijährigen gebrauchten Diesel-Pkw Ende 2017 4,6 Prozentpunkte unter den vergleichbaren Benzinern lag. Durch die Umweltprämien der Hersteller und Importeure sind insbesondere die Preise junger Gebrauchtwagen zusätzlich unter Druck geraten.

3) Wie sieht die DAT die Zukunft des Diesels? Die repräsentative Befragung für den DAT-Report zeigt: Etwa die Hälfte aller Pkw-Halter in Deutschland (48%) hat in ihrem privaten Umfeld festgestellt, dass sich jetzt mehr und mehr Personen gegen einen Dieselmotor entscheiden (würden). Bei ebenfalls 48% trifft das nicht zu. Der Diesel als Antriebsart ist unseres Erachtens derzeit noch ohne Alternative für Fahrer mit hohen Kilometerleistungen. Laut DAT-Report 2018 legt ein Dieselfahrer 19.830 Kilometer pro Jahr zurück. Halter von Benzinfahrzeugen 11.850 Kilometer. 26% aller Pkw-Halter legen 20.000 km oder mehr pro Jahr zurück. In Firmenfuhrparks werden weiterhin in hohem Maße Diesel-Pkw betrieben. Im letzten DAT Diesel-Barometer mit dem Schwerpunkt „Flotte“ (Dezember 2017) wurde ermittelt, dass 89% der Pkw in Firmenflotten mit Dieselmotoren ausgestattet sind. Diese durchdringen sukzessive den Pkw-Bestand in Deutschland mit modernen Motoren.

4) Wie beurteilt die DAT die Diskussion um Stickoxide? Die Kernkompetenz der DAT ist es nicht, die Luftqualität in Städten zu beurteilen. Im Hinblick auf die Diskussion um die Stickoxide sollte aus unserer Sicht aber das Thema CO2 auf keinen Fall vernachlässigt werden. In der EU gilt ein festgelegtes Ziel von 95 g CO2/km ab 2020 bei neu zugelassenen Pkw. Im Januar 2018 lag dieser Wert bei durchschnittlich 128,4 g/km. Laut KBA wurden 2017 im Vergleich zu 2016 13,2 % weniger Diesel-Pkw neu zugelassen. Die Benziner lagen dagegen mit 13,8% Prozent im Plus. Der steigende Anteil an Benzinern dürfte einen negativen Einfluss auf die Emissionswerte des CO2 haben. Wir weisen außerdem darauf hin, dass in Europa zum Teil völlig andere Grenzwerte gelten als beispielsweise in den USA und die Verhältnisse dadurch nicht ohne Weiteres miteinander verglichen werden können.

5) Wie sieht die DAT die Veränderung der Luftqualität bei Fahrverboten? Die DAT verweist auf die aktuellen Informationen des Umweltbundesamtes vom 1. Februar 2018. Diese zeigen, dass die Belastung der Luft mit Stickstoffdioxid 2017 im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen ist. Die Schadstoffe in den Städten sind trotz der gestiegenen Verkehrsbelastung weniger geworden – das Ziel ist noch nicht erreicht, aber ein Trend ist sichtbar. Uns liegt zu diesem Thema eine statistisch valide Aussage der Pkw-Halter vor: „Diesel-Fahrverbote für Fahrzeuge mit Abgaseinstufung EURO 5 und darunter werden die Luftqualität in Großstädten nicht entscheidend verbessern.“ Dieser Meinung sind 63% der repräsentativ für den DAT-Report 2018 befragten Pkw-Halter in Deutschland.

Wie sich eventuell tatsächlich ausgesprochene Fahrverbote auf die Luftqualität auswirken werden, liegt im Bereich der Spekulation. Eine Tatsache ist allerdings, dass durch den regulär stattfindenden Austausch im Fahrzeugbestand (2017 wurden 1.336.776 Mio. neue Dieselfahrzeuge zugelassen) in den zurückliegenden Jahren bereits nachweisbar signifikante Fortschritte bei der Luftqualität erzielt wurden.

6) Wie beurteilt die DAT den Stellenwert der individuellen Mobilität? In Deutschland leben nach Informationen des statistischen Bundesamtes 31 Prozent aller Menschen in Städten über 100.000 Einwohnern. 15 Prozent wohnen in Städten unter 5.000 Einwohnern, 27 Prozent in Städten zwischen 5.000 und 20.000 Einwohnern und weitere 27 % in Städten zwischen 20.000 und 100.000 Einwohnern. Eine große Zahl an Menschen in Deutschland hat somit wenig bis keine Möglichkeit, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen und ist weiterhin auf individuelle Mobilität angewiesen. Im aktuellen DAT-Report konnte ermittelt werden, dass 95% der Neuwagenkäufer, 92% der Gebrauchtwagenkäufer und 85% aller Pkw-Halter angaben, Autofahren würde ihnen Spaß machen.